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Chronischer schmerz

Wie im Kapitel 01 „Was ist Schmerz?“ bereits erwähnt, hat Schmerz primär eine Schutzfunktion: Ein funktionierendes Nervensystem signalisiert uns schädliche Einflüsse oder Verletzungen, die unsere Aufmerksamkeit erfordern. Schmerzen können sich aber auch „verselbständigen“. Das kann zum Beispiel passieren, wenn Schmerzen sehr lange andauern und sich die Schmerzverarbeitung dadurch verändert: Schließlich ist das Nervensystem ein fließendes, sich selbst veränderndes und adaptierendes (anpassendes) System.

Das Nervensystem wird bereits beim banalen akuten Schmerz „sensibilisiert“, reagiert also empfindlicher. Dann senden die Nervenzellen immer häufiger zusätzliche Schmerzsignale, das System „überreizt“ und das Schmerzempfinden verstärkt sich. Im Gehirn funktioniert diese Sensibilisierung ähnlich wie der Vorgang, mit dem wir uns etwas merken (Gedächtnisprozess).

Von der Sensibilisierung zum chronischen Schmerz

Normalerweise dauert diese Verstärkung nur ein paar Stunden länger als die Schmerzursache, vergeht also nach der Heilung (z.B. nach einer Verletzung oder einem operativen Eingriff) sehr rasch. Bei chronischem Schmerz bleiben die Schmerzen jedoch aufrecht, auch wenn die ursprüngliche Schmerzursache diese Schmerzen nicht mehr „rechtfertigt“. Die Schutzfunktion dieser Schmerzen ist verloren gegangen, und vielfach ist der Schmerz sogar selbst zur Erkrankung geworden.

Das ist bei chronischen Schmerzen der Fall, also Schmerzen, die, so eine Faustregel, länger als 3 Monate andauern.

Chronischer Schmerz bringt für den Betroffenen keinen Nutzen mehr.

Psychische und soziale Faktoren können zum Schmerz dazukommen (man spricht auch vom bio-psycho-sozialen Schmerzmodell, siehe nächster Abschnitt).

Chronischer Schmerz ist viel schwieriger zu behandeln als akuter Schmerz: Behandlungskonzepte, die im Akutschmerz erfolgreich angewendet werden, sind bei chronischem Schmerz oft erfolglos. Deshalb ist es sehr wichtig, Schmerzen rechtzeitig und richtig (mit ärztlicher Begleitung) zu behandeln, noch bevor sie chronisch werden.

Nicht jeder Mensch ist gleich „anfällig“ für die Entwicklung chronischer Schmerzen. Es ist noch nicht klar, welche Faktoren dabei im Einzelnen eine Rolle spielen. Einer Studie zufolge leidet in Europa jeder fünfte Erwachsene an mäßigen bis schweren chronischen Schmerzen - mit deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Ländern. Daten aus Österreich deuten auf eine in etwa vergleichbare Häufigkeit hin - hier gaben ca. 25% der befragten Personen ab 15 Jahren an, chronische Schmerzen zu haben.